EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung

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EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung - Was Sie jetzt wissen müssen

Update: Das BAG hat in seinem Beschluss vom 13. September 2022 darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, ein Zeiterfassungssystem einzuführen bei welchem alle Zeiten erfasst werden müssen.

Alle Arbeitgeber in der EU müssen zukünftig die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter vollständig und systematisch erfassen. Dieses Urteil (C-55/18) des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 14. Mai 2019 hat für Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Was steckt hinter dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung? Was ist der aktuelle Stand bei dieser Debatte? Welche Folgen hat das für Ihr Unternehmen? Erwacht ein neues Bürokratiemonster oder ist es eine Chance zur weiteren Digitalisierung? Wir beantworten in diesem Artikel die wichtigsten Fragen.

1. Was sind die Hintergründe des
neuen EuGH-Urteils?

1.1 Spanische Gewerkschaft forderte Einführung eines Zeiterfassungssystems

Eine Gewerkschaft in Spanien hatte gegen eine Niederlassung der Deutschen Bank geklagt. Ziel dieser Klage war die genaue und komplette Dokumentation der Arbeitszeiten aller Arbeitnehmer.

Nur so könne sichergestellt werden hieße es, dass sowohl Überstunden als auch Ruhezeiten korrekt erfasst und eingehalten werden. Daraufhin legte der dortige Nationale Gerichtshof den Rechtsstreit dem EuGH vor.

Diese Argumentation fand auch die Zustimmung des EuGH. Dieses hielt das bisherige spanische Arbeitszeitgesetz für unzureichend. In seiner Pressemitteilung begründet der EuGH auch weshalb „ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, … es für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist,  ihre Rechte durchzusetzen“.

1.2 Umsetzung des EuGH-Urteils jetzt Sache der EU-Mitgliedsstaaten

Nun werden die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen um Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten einzuhalten.

Das gelingt indem „die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.“

Weiterhin lässt das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung den Mitgliedstaaten Spielraum zur Gestaltung dieses Zeiterfassungssystems und Umsetzung in Nationales Recht. Demzufolge haben die EU-Staaten die Möglichkeit diverse Modalitäten und Besonderheiten wie Branchen, Eigenheiten und Unternehmensgrößen zu berücksichtigen.

Zudem wurde noch keine konkrete Frist zur Umsetzung dieser Maßnahmen vorgegeben.

Auch zwei Jahre nach der EuGH-Entscheidung ist aber weiterhin unklar, wie genau die Ausgestaltung eines rechtskonformen Zeiterfassungssystems sein muss.

Jedoch wurde dieses Urteil nun, mit dem Beschluss des BAG vom 13.09.2022, erneut thematisiert und benötigt eine neue gesetzliche Regelung, als Antwort auf den aktuellen Beschluss.

Diese Verzögerung, auch aufgrund der Corona-Krise, kann aber auch als Chance für Unternehmen wahrgenommen werden. So haben Sie (noch) Zeit sich konkrete Gedanken zu machen, welche Zeitmanagementlösung für Ihr Unternehmen am sinnvollsten ist.

EuGH-Urteil Arbeitszeiterfassung - Gewerbe, Mitarbeiter und Arbeitszeit

2. Was sieht das deutsche Arbeitszeitgesetz aktuell vor?

2.1 In Deutschland müssen bis jetzt nur Überstunden festgehalten werden

Analog zum bisherigen spanischen Recht, verpflichtet das deutsche Recht in § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG die Arbeitgeber lediglich Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit der Arbeitnehmer zu erfassen.

Nur in wenigen Branchen und Fällen, wie z.B. in Speditionsunternehmen oder im Mindestlohnbereich, gibt es eine Pflicht der vollständigen Arbeitszeiterfassung. Hingegen fordert der Beschluss des EuGH nun auf, die gesamte Arbeitszeit aller Arbeitnehmer vollständig zu erfassen.

Dies kann sich nun jedoch verändern, denn das BAG hat am 13. September 2022 in seinem Beschluss festgelegt, dass alle Stunden der Mitarbeiter erfasst werden müssen. Hierbei handelt es sich aktuell noch um einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, eine Gesetzesanpassung liegt aktuell noch nicht vor. Diese wird jedoch zu erwarten sein.

Das spanische Recht wurde bereits zwei Tage vor dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung angepasst. Dieses neue Recht gibt spanischen Unternehmen die Freiheit selbst zu entscheiden, wie sie die Zeiten ihrer Arbeitnehmer erfassen. Diese können per Stechkarte, mobiler App oder papierbasiert dokumentiert werden. Die Daten müssen für mindestens vier Jahre gespeichert werden.

Allerdings hapert es an der Umsetzung, weil vor allem diese freie Wahl zur Verunsicherung der Arbeitnehmer führt. Deshalb hat auch die spanische Regierung reagiert und einen Leitfaden veröffentlicht.

2.2 Bundesregierung noch unschlüssig was die Umsetzung und Sinnhaftigkeit des EuGH-Urteils betrifft

Auch die Bundesregierung bzw. das Wirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium diskutieren darüber. Dabei sind sich die Minister noch uneinig ob und wie das deutsche Arbeitszeitgesetzt abgeändert werden muss.

Daher ist eine Umsetzung ins deutsche Recht mit Spannung zu erwarten. Erfahrungsgemäß wird die neue gesetzliche Regelung einige Zeit in Anspruch nehmen.

Mit dem Beschluss des BAG hat sich nun der Druck auf eine gesetzliche Änderung jedoch deutlich verstärkt.

Unter dem Strich liegt der Ball nun beim Gesetzgeber. Nichtdestotrotz ist es für Arbeitnehmer jetzt schon erforderlich sich mit dem Thema Arbeitszeiterfassung intensiver zu beschäftigen.

Obwohl aktuell noch kein unmittelbarer Handlungsbedarf für Unternehmen verabschiedet wurde, wird dieses Thema Politik und Wirtschaft in der nächsten Zeit aktiv beschäftigen.

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    IAB-Statistik - Überstunden in Deutschland (2013-18)

    EuGH-Urteil Arbeitszeiterfassung - IAB-Statistiken zu den Überstunden in Deutschland

    3. Welche Folgen des EuGH-Urteils sind für Arbeitgeber zu erwarten?

    3.1 Ist der EuGH-Entschluss ein Rückschlag für die flexible und digitale Arbeitswelt?

    3.1.1 Arbeiten wir heute überhaupt gesetzeskonform?

    Sowohl mobiles Arbeiten, Außendienst und Homeoffice haben sich in der Arbeitswelt etabliert. Übrigens müssen laut EuGH-Entscheidung auch diese Arbeitsarten zukünftig erfasst werden.

    Hindert eine proaktive Dokumentation der Arbeitszeiten diese flexiblen Arbeitsformen?

    Viele Arbeitnehmer erledigen auch abends vor dem Schlafen Aufgaben oder antworten auf E-Mails. In der Praxis aber schreiben ganz wenige diese Zeiten auf.

    Demensprechend ist die flexible Arbeitszeit, so wie wir sie heutzutage erleben, kaum mit den aktuellen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes vereinbar. Aktuelle Studien zeigen auch, dass nur die Hälfte der Überstunden in Deutschland bezahlt wird.

    Auch müssen wir uns nicht von der Vertrauensarbeit verabschieden. Dies kann sich jedoch mit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ändern, welcher vorsieht, dass die Gesamtarbeitszeit erfasst werden muss.

    Diese überträgt standardmäßig die Dokumentationspflicht der Arbeitszeit auf den Arbeitnehmer und ist vom EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung weniger betroffen. Der Arbeitgeber wiederum bleibt nach wie vor in der Pflicht, alle gesetzlichen Rahmenbedingungen einzuhalten.

    3.1.2. Eine neue, grundlegende Definition der Arbeit im digitalen Zeitalter muss her

    Zum Beispiel müssen auch beim Homeoffice die Höchstarbeitszeiten eingehalten werden.

    Denn viele Mitarbeiter arbeiten grundsätzlich mehr als 48 Stunden die Woche. Weiterhin wird auch die definierte tägliche Höchstarbeit von 10 Stunden immer mal wieder überschritten.

    Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung ändert an diesen Regelungen nichts. Schlussendlich hilft der EuGH-Entschluss den Arbeitgebern und Arbeitnehmern regelkonform zu arbeiten.

    Parallel ist aber auch der deutsche Gesetzgeber gefragt. Dieser muss nun weitere Regelungen erzeugen und Maßnahmen kreieren, die fit für die neue Arbeitswelt sind. Wie definiert sich überhaupt Arbeit im digitalen Zeitalter?

    3.1.3. Softwarelösungen sind schon bereit für das zukünftige Arbeitszeitgesetz

    Andererseits haben sich schon viele Anbieter und deren Zeitmanagement-Lösungen genau an diese flexible und digitale Arbeitsweise angepasst.

    Beispielsweise kann man über mobile Zeitmanagement-Apps intuitiv und kinderleicht seine Arbeitszeit per Klick starten und stoppen. Dadurch wird die Arbeitszeit detailliert dokumentiert und landet direkt in der zentralisierten Zeitmanagement-Software des Arbeitgebers.

    Mit anderen Worten muss das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung kein Rückschritt in alten analogen Zeiten der Stechuhr sein. Vielmehr können Unternehmen dies als Digitalisierungschance sehen und ihren Arbeitnehmern flexible, einfache und ortsunabhängige Zeiterfassungsoptionen anbieten.

    3.2 Erschaffen wir mit der Erfassung der Arbeitszeiten ein neues, teures Bürokratiemonster?

    Auch an dieser Fragestellung scheiden sich die Geister. Vor allem die DSGVO hat schon in dieser Hinsicht letztes Jahr ein mittelgroßes Erdbeben ausgelöst.

    Ohne festgelegte, IT-gestützte Verarbeitungsprozesse verursachen allgemein Dokumentationspflichten einen enormen Verwaltungsaufwand.

    Beispielsweise sieht man dies an handschriftlich erfassten Überstunden. Zuerst müssen diese Stundenzettel von einem Vorgesetzten unterschrieben werden. Weiterhin landen diese in der Personalabteilung, die von dort aus nochmal manuell erfasst werden müssen.

    Sehr viel praktischer ist es wenn Ihre Mitarbeiter die Arbeitszeiten elektronisch erfassen und die Daten direkt in Ihren Personalverwaltungssystemen landen.

    Dadurch halten Sie den Aufwand minimal, nicht nur für Sie und die Personalabteilung, sondern auch für alle Mitarbeiter.

    Im Markt gibt es kostengünstige Softwarelösungen, die auch auf die Anforderungen und Wünsche kleiner Unternehmen zugeschnitten sind.

    EuGH-Urteil Arbeitszeiterfassung und Homeoffice

    4. Wie geht es jetzt weiter mit der Arbeitszeiterfassung nach dem Urteil des EuGH?

    Wie schon vorhin erwähnt, sind jetzt die EU-Regierungen in der Pflicht.

    Diese müssen aktuelle Arbeitszeitregelungen auf den Prüfstand stellen und Maßnahmen gemäß des EuGH-Urteils erzeugen. Die EU gewährt den EU-Mitgliedsstaaten dabei viel Gestaltungsspielraum.

    Dies ist einerseits positiv denn jede Regierung kann sich dementsprechend den landesspezifischen Umständen und Besonderheiten ausrichten. Andererseits ist Kreativität, Zukunftssicherheit und Fairness gefragt, dass nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber Vorteile erlangen.

    Wir von WUD werden die Entwicklungen in Sachen Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht weiterhin verfolgen und Sie auf dem Laufenden halten.

    Ein aktuelles Update (2021)

    Durch aktuelle Urteile ist zwei Jahre nach dem EuGH-Urteil wieder Bewegung in die Diskussion reingekommen.

    Das ArbG Emden hat als erstes deutsches Gericht sich mit dem EuGH-Urteil vom 14.05.2019 auseinandergesetzt. Und das schon zweimal. Das Arbeitsgericht gab zum Beispiel einer Klage eines Bauhelfers statt und sah die EuGH-Anforderungen an dem Zeiterfassungssystem des Arbeitsgebers nicht erfüllt.

    Das LAG Niedersachsen und schließlich das LAG Rheinland-Pfalz haben die Rechtsprechungen des ArbG Emden abgelehnt.

    Dennoch ist das Thema wieder präsent. Denn die Revision zum Bundesarbeitsgericht durch das LAG Niedersachsen wurde schließlich zugelassen.

    Umso mehr ist es heute wichtig, dass sich die Arbeitgeber konkrete Gedanken über eine rechtskonforme Zeitmanagementlösung machen.

    Vor allem müssen sie überprüfen, ob ihre bestehende Zeiterfassung den Anforderungen des EuGH genügt. Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Diesbezüglich können Sie sich unsere Checkliste zur EuGH-konformen Zeiterfassung kostenlos herunterladen.

    Was denken Sie über das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung? Welche Auswirkungen befürchten Sie für den deutschen Arbeitsalltag?
    Wo sehen Sie die Vorteile und Nachteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

    Haben Sie zum Thema Arbeitszeiterfassung weitere Fragen oder Anregungen? Gerne können Sie hier einen Kommentar hinterlassen oder sich direkt bei uns melden. Wir freuen uns auf Ihr Feedback!

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